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Bild "Willkommen:icon-stadtenwicklung-110.jpg"Quartier an der Stadtmauer - Quartier ohne Stadtmauer



[anker|stellungnahme]

Gemeinsame Stellungnahme der Heimatpfleger der Stadt Bamberg und der denkmalschützenden Vereine Bambergs zum Quartier an der Stadtmauer vom 24.05.2011

Stadt Bamberg
Stadtplanungsamt
Postfach 11 02 15
96030 Bamberg

Bamberg, den 24.05.2011

Vorhabenbezogener Bebauungsplannummer 114 E für das Gebiet zwischen Lange Straße und Franz-Ludwig-Straße "Quartier an der Stadtmauer"

Gemeinsame Stellungnahme der

1.  Heimatpfleger der Stadt Bamberg

und

2.  Schutzgemeinschaft Alt Bamberg e.V.
3.  Historischer Verein Bamberg e.V.
4.  Freunde des Weltkulturerbes Bamberg e.V.
5.  Bewahrt die Bergstadt e.V.




Sehr geehrte Damen und Herren,

zu dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 114 E nehmen die Unterzeichnenden wie folgt Stellung:

Das Vorhaben wird in seiner jetzigen Planung und Gestaltung abgelehnt.

1.
Die Unterzeichner erlauben sich, zunächst darauf hinzuweisen, dass das ursprünglich an dieser Stelle in der Altstadt von Bamberg geplante Projekt ”City-Passage” insbesondere auch wegen der Überdimensionierung abgelehnt worden war. Die ursprüngliche Planung für die ”City-Passage” wies eine Gesamtfläche von ca. 13.000 m2 auf, davon ca. 11.000 m2 Verkaufsfläche und ca. 2.000 m2 Wohnfläche.

Die jetzige Planung bleibt, entgegen ursprünglichen Ankündigungen, nicht hinter den ursprünglichen Planungen zurück, sondern sieht eine Vergrößerung der Flächen vor; genannt  sind 14.500 m2 Geschäftsfläche und 2.300 m2 Wohnnutzung. Das Projekt sprengt daher weiter alle Dimensionen, ist für die Stadt Bamberg und das Quartier des Vorhabens überdimensioniert und wird deshalb abgelehnt.

Zu diesem Punkt hatte sich bereits die Monitoringgruppe der UNESCO nach ihrem Besuch am 31.05.2002: „Die Bebauung des … bereits stark veränderten und in seiner historischen Bedeutung geschmälerten Grundstückes sollte durch eine die kleinteilige, historische Parzellenstruktur berücksichtigende Sanierung wieder in einen Zustand versetzt werden, der eine der baugeschichtlichen Bedeutung … entsprechende Nutzung vorsieht. … Das Motto sollte sein: Stadtreparatur statt Abriss und Neubau.“

Von einer ”Kleinteiligkeit” der Planung kann keine Rede sein, vielmehr werden für die Bamberger Altstadt art- und wesensfremde Großstrukturen geplant.

2.
Die tatsächlichen Planungen und der Bebauungsplan-Entwurf konterkarieren den Namen des Projekts ”Quartier an der Stadtmauer”. Denn würde die Planung, so wie vorgeschlagen, realisiert, würde von den im Bereich des Quartiers bis heute verbliebenen, entscheidenden und  umfangreichen Teilen der Stadtmauer fast nichts erhalten bleiben, nichts erhalten und erlebbar gemacht werden können.

Im beplanten Gebiet sind erhebliche Reste der ersten Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert sowie der zweiten Stadtmauer aus dem 15. Jahrhundert vorhanden. Die erhaltenen Teile dieser aus originalen Sandsteinquadern bestehenden Stadtmauern sind auch nicht lediglich als Bodendenkmäler vorhanden, sondern teilweise bis zu 2,70 m hoch. In dem Quartier stoßen die Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert und die Stadtmauer aus dem 15. Jahrhundert aufeinander. Insoweit sind wesentliche und bedeutende Zeugnisse der damals durchgeführten Stadterweiterung vorhanden und sichtbar. Der Entwurf des Bebauungsplanes für dieses Gebiet sieht jedoch im Bereich der Stadtmauer bzw. dem Aufeinandertreffen der alten Stadtmauern eine Durchfahrt zwischen Langer Straße und Franz-Ludwig-Straße vor. Diese Durchfahrt kann nur realisiert werden, wenn die Reste der Stadtmauern abgetragen und entfernt werden. Dies kann nicht hingenommen werden. Da insbesondere auch die Begründung des Bebauungsplanentwurfes bzw. die geplanten Festsetzungen vorsehen, dass die insoweit vorhandenen Denkmäler ”soweit als möglich zu erhalten sind”, in Anbetracht der Planungen für die Durchfahrt aber ein Erhalten gar nicht möglich ist, würde dies zu einer erheblichen Vernichtung historisch bedeutender Denkmäler und Zeichen der Stadtgeschichte führen.

3.
Der Entwurf des Bebauungsplanes fordert einen „angemessenen Umgang mit den vorhandenen Baudenkmälern, Einbindung historischer Bausubstanz in das Gesamtkonzept“. Diese Forderung steht im krassen Widerspruch zu der vorgelegten Planung. Die vorliegende Planung sieht an verschiedenen Stellen massive Eingriffe in die historische Bausubstanz vor. In der Öffentlichkeit wurde die Frage des Denkmalschutzes zuletzt verkürzt auf eine einzelne Stuckdecke im Anwesen Hellerstraße 13 und eine (Treppe zur) Mikwe. Dies greift jedoch viel zu kurz. Durch die vorgelegte Planung wird viel mehr in Frage gestellt:

Aus den Begründungen bzw. Festsetzungen des Bebauungsplanentwurfes geht hervor, dass die Rückgebäude der Hellerstraße als nicht zu erhaltende Denkmäler eingestuft sind. Auch dies kann nicht hingenommen werden. Der komplette Abbruch der Gebäude Hellerstraße 13 und 15 und des Rückgebäudes Hellerstraße 11/13 einschließlich der Keller wird abgelehnt. Denn durch solche Maßnahmen würden eine historisch gewachsene Hofanlage zerstört und Gebäude, die als Einzelobjekte  bzw. Ensemble unter Denkmalschutz stehen, geopfert. In dem Quartier an der Stadtmauer haben vom Spätmittelalter bis zum Ende der 1930er Jahre jüdische Familien gewohnt, weshalb aus Sicht der Unterzeichner das oben genannte Hofareal auch über die Denkmalwürdigkeit hinaus besonderen Schutz verdient.

Zudem haben neuere Untersuchungen durch Herrn Dr. Kohnert ergeben, dass es sich bei dem Anwesen Hellerstraße 15 um ein bedeutendes Gebäude mit wertvoller, historischer Bausubstanz handelt. Seinen Ergebnissen zufolge besitzt es einen mittelalterlichen Keller aus dem 15. Jahrhundert, Erdgeschoss und 1. Obergeschoss stellen ein komplett erhaltenes Fachwerkhaus aus der Renaissancezeit (16. Jahrhundert) dar, das 2. Obergeschoss stammt aus einer Erweiterung des späten 18. Jahrhunderts; damals erhielt das Gebäude auch sein frühklassizistisches Treppenhaus und die schlichten Stuckdecken. Das Haus verdient in jedem Fall Denkmaleigenschaft. Eine Aufnahme in die Denkmalliste ist bisher nur deshalb nicht erfolgt, weil das Gebäude bis dato noch nicht untersucht und begutachtet werden konnte.

Da es sich bei dem Quartier um ein ehemaliges jüdisches Viertel handelt, ist davon auszugehen, dass sich in dem Bereich nicht nur die Treppe zur Mikwe mit zugehöriger Ummauerung für das Wasserbecken, sondern weitere Überreste jüdischer Bebauung finden. Wahrscheinlich sind dort auch Überreste der ehemaligen, an dieser Stelle archivalisch nachgewiesenen jüdischen Synagoge vorhanden.

Da eine komplette Unterkellerung in dem Gebiet geplant ist, würden unweigerlich sämtliche Reste ehemaliger Bebauung wie mittelalterliche Hauskeller und unterirdische Teile der Stadtmauer, aber auch die noch nicht ergrabenen Synagogenreste, die allesamt erhaltenswert wären, komplett zerstört. Es wird auch daran erinnert, dass das Gebiet bislang nur stichpunktartig archäologisch ergraben wurde. Aufgrund seiner Jahrhunderte langen Besiedelung ist noch mit einer Fülle schützenswerter Bodenfunde zu rechnen.

Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich aus der Begründung bzw. den Festsetzungen des Bebauungsplanentwurfes ergibt, dass selbst die Mikwe-Treppe nicht erhalten werden muss, sondern nur ”soweit wie möglich” erhalten werden soll. Diese Einschränkung wird abgelehnt.

4.
Würde das Vorhaben, so wie geplant, realisiert, würde auch eine Durchfahrt von der Langen Straße in Richtung Franz-Ludwig-Straße / Promenade geschaffen. Dadurch käme es zum einen zu einem erheblichen Bruch in der fortlaufenden geschlossenen Fassadenfront der Langen Straße, da dort für Zulieferverkehr, Lkws und Rettungsfahrzeuge ein von der Dimensionierung her nicht unerheblicher Durchbruch in der Fassade vorhanden sein müsste.

Außerdem ergäbe sich bei Realisierung der Planung eine völlig neue Struktur des Quartiers mit einer ”Straßenverbindung” zwischen Langer Straße und Franz-Ludwig-Straße sowie einer Platzstruktur, welche bis dato überhaupt nicht vorhanden war. Insoweit würde der Stadtgrundriss erheblich verändert. Dabei ist die vorhandene Parzellenstruktur einer Stadt ein wichtiges historisches Element, das es – ganz besonders mitten im Welterbebereich – zu bewahren gilt und das nicht durch modische Planungen und für kurzfristige (insbesondere wirtschaftliche) Interessen über den Haufen geworfen werden darf. Auch deshalb wird die geplante Bebauung abgelehnt.

5.
Von den Unterzeichnern wird darauf hingewiesen, dass es sich bei dem zu beplanenden Gebiet um ein historisch gewachsenes Stadtgebiet handelt. Die Gebäude haben großteils mehrere Jahrhunderte überdauert. Dass die jetzt geplante Bebauung und die jetzt geplanten Gebäude eine ähnliche Langlebigkeit erreichen werden, darf bezweifelt werden. Beispielhaft muss nur auf die Hauptgebäude der Eigentümerin der Grundstücke, die im Bereich des Entwurfs des Bebauungsplanentwurfes liegen, geblickt werden: Die Gebäude der Sparkasse Bamberg in der Langen Straße, die nun abgebrochen werden sollen, wurden 1970–1984 errichtet, eine Nutzung ist bereits jetzt nicht mehr erforderlich. Damit haben sich bereits nach ca. 30 Jahren Maßnahmen überlebt, für die damals schmerzliche Verluste – unter anderem wurde das Wohnhaus von Dr. Adalbert Friedrich Marcus samt Gartenpavillon, einem Erinnerungsort an E.T.A. Hoffmann abgebrochen – hingenommen werden mussten. Es ist davon auszugehen, dass es mit den Gebäuden des jetzt geplanten Vorhabens spätestens in drei Jahrzehnten ebenfalls so sein wird. Daher wenden sich die Unterzeichner mit Nachdruck dagegen, dass durch die jetzt geplante Bebauung die gewachsene Parzellenstruktur, jahrhundertealte Gebäude und Reste historisch bedeutender und wertvoller Bausubstanz unwiederbringlich zerstört werden für ein Vorhaben, dessen Lebensdauer sich in Jahren bzw. wenigen Jahrzehnten, nicht aber in Jahrhunderten bemessen lassen wird.

Die Unterzeichner weisen zum Abschluss auf folgendes hin:

Eine nachhaltige Aufwertung des Quartiers wird grundsätzlich begrüßt. Aus den vorstehenden Gründen kann aber das geplante Vorhaben so nicht befürwortet werden. Da insbesondere durch das dritte geplante Ankergeschäft in der Hellerstraße erhebliche denkmalgeschützte Welterbesubstanz vernichtet würde, kann von hieraus dem Vorhaben nicht zugestimmt werden. Insbesondere kann nicht befürwortet werden, dass zur Erschließung des "Quartiers an der Stadtmauer" erhebliche Teile der namengebenden Stadtmauer zerstört oder beeinträchtigt werden und denkmalgeschützte sowie denkmalwerte Gebäude abgerissen werden dürfen.

Auf die der Stadt vorliegende, ablehnende Stellungnahme des im Auftrag der UNESCO für die Welterbestätten zuständigen Internationalen Rats für Denkmalpflege (International Council on Monuments and Sites – ICOMOS) wird ausdrücklich hingewiesen.

Die Stadt Bamberg ist mit dem erfolgreichen Antrag auf Aufnahme in die Welterbeliste verbindliche Verpflichtungen eingegangen, ihre Altstadt zu erhalten und für kommende Generationen zu bewahren. Eine Ablehnung des vorliegenden Bebauungsplanentwurfes, der an einer der sensibelsten Stellen dieser von der UNESCO als weltbedeutend eingestuften Altstadt einen Kahlschlag vorsieht, ist aus Sicht der Unterzeichnenden daher zwingend.

Dabei regt der Entwurf des Bebauungsplanes an, „das Weltkulturerbe als Qualitätsmaßstab in der Gestaltung (zu) begreifen und als Chance zur Wertschöpfung zu sehen.“ Würde dieser Anspruch ernst genommen und der Fokus auf Qualität und nicht Wertschöpfung gelegt, könnte dies zu einer positiven Entwicklung führen. Es könnte ein attraktives Innenstadtquartier entstehen, das dem hohen Anspruch der Bamberger Bevölkerung an ihre Stadt, aber auch dem Anspruch von außen gegenüber dem Welterbe gerecht würde.

Wir plädieren daher für eine konzeptionell komplett andersartige Herangehensweise, für eine regionale, typische Bamberger Lösung, wie sie seinerzeit etwa bei der Umnutzung des alten E-Werks oder beim heutigen Stadtarchiv gefunden worden war. Andernfalls befürchten wir neben dem Verlust an wertvoller historischer Substanz einen heute noch nicht absehbaren Imageschaden für unsere Stadt.


Hanns Steinhorst, Stadtheimatpfleger

Ekkehard Arnetzl, Stadtheimatpfleger

Dr. Jörg Händler, Schutzgemeinschaft Alt Bamberg e. V.

Dr. Norbert Ruß, Historischer Verein Bamberg

Dr. Peter Ruderich, Freunde des Weltkulturerbes Bamberg e.V.

Michael Rieger, Bewahrt die Bergstadt e. V.

[anker|pressemeldungen]

Pressemeldungen zur City-Passage und zum Quartier an der Stadtmauer