Ich stimme zu

HV-Bamberg.de benutzt Cookies, um seinen Lesern das beste Webseiten-Erlebnis zu ermöglichen. Durch die Nutzung der Webseite stimmen Sie der Datenschutzerklärung und der Verwendung von Cookies zu. Weiterführende Informationen erhalten Sie in der Datenschutzerklärung von HV-Bamberg.de. Datenschutzerklärung

Kurzbiographien bedeutender Vereinsmitglieder

MARTIN JOSEPH VON REIDER (1793–-1862)
ZEICHNUNGSLEHRER, SAMMLER UND FORSCHER

von FRIDOLIN DRESSLER in BHVB 141 (2005) 239–-241
Als man in Bamberg im Jahre 1830 zur Gründung eines Historischen Vereins schritt –- dazu aufgefordert von König Ludwig I. -–, gehörte Martin Joseph von Reider zu den Männern der ersten Stunde. Er nahm an der Besprechung am 8. Juli 1830 im Pfarrhof der Oberen Pfarre teil, die als Gründungsakt gilt. Geboren zur Zeit des Höhepunktes der Französischen Revolution, am 3. August 1793 in Bamberg, wuchs er als älterer Sohn einer dem Bistum und Hochstift eng verbundenen Familie heran. Es war die Epoche, da der Sturm der Kirchen- und Klostersäkularisation (1802 ff.), dann der Untergang des „Alten Reiches“ das Bild der Stadt Bamberg wie auch die Lebensverhältnisse nicht weniger ihrer Bewohner tief veränderte. Nach Reiders eigener Aussage erwachten sein historisches Interesse wie seine Sammelleidenschaft bereits in diesen frühen Jahren an der höheren Schule. Er verließ diese ohne Abschluß und wechselte in die „Zeichnungsakademie“ des Majors Leopold von Westen. Hier konnte sich seine zeichnerische Begabung – ein Erbe von Mutterseite, Schwester des durch seine Pläne und Ansichten bekannten Banzer Benediktiners Johann Baptist Roppelt – voll entfalten. Mit 21 Jahren wurde er dort Lehrer und übte dieses Amt über 30 Jahre offenbar erfolgreich aus.
Entscheidend für seinen Lebensweg und sein Ansehen wurde aber, daß er von früh an seine ganze freie Zeit und Kraft, wie sein freilich bescheidenes Einkommen der Erkundung der Bamberger Kunst und Geschichte widmete. So brachte er, der ledig blieb, eine ungewöhnlich reichhaltige und teilweise auch außerordentlich wertvolle Sammlung von Kunstwerken aller Art und von vielfältigen Kulturdokumenten zusammen. Seine Sammlung soll er zwar vor den meisten seiner Mitbürger verschlossen gehalten haben, zeigte sie aber umso bereitwilliger Kennern. Diese kamen oft von weither, und er erläuterte ihnen seinen Schatz an Gemälden, Plastiken, Bildteppichen und anderen Kulturgütern weitläufig dank seiner ausgebreiteten Kenntnisse der Kunstgeschichte und speziell der Vergangenheit seiner Heimat. Ein Zeugnis seiner Sachkenntnisse dafür ist ein 1827 abgegebenes Gutachten zur Purifizierung des Bamberger Domes, die König Ludwig I. wünschte. Auch beim Historischen Verein beruhte sein Ansehen vorrangig auf seinen in den monatlichen Zusammenkünften vorgetragenen Kunst- und Geschichtskommentaren, weniger in Beiträgen zur Vereinsverwaltung. Seit 12. Dezember 1833 bekleidete er hier das Amt des die Vereinssammlungen betreuenden Konservators, doch zeigte sich schon damals sein Unvermögen, einen Sammlungsbestand inventarmäßig zu erfassen, weshalb am 3. Januar 1838 seine Ablösung erfolgte. Nochmals hatte er von 1850 bis 1860 dieses Amt und das des Bibliothekars inne. Seine offenbar zahlreichen Kontakte mit Gelehrten, Bibliothekaren und Antiquaren scheinen vielfältig gewesen zu sein, sind aber nur sporadisch nachweisbar.
Mit fortschreitendem Alter hat er sich, vielleicht bewegt durch Joseph Hellers Tod 1849, Gedanken über die Zukunft seiner Sammlung gemacht und dabei wohl zunächst an eine Übergabe an seine Heimatstadt gedacht, die ihm dabei auch seine Altersrente aufbessern sollte. Offenbar aber vergeblich, denn es gibt keine Akten in Bamberg über ein solches Bemühen. Dagegen hat der bekannte Lokalchronist Christian Pfau berichtet, Reider habe sowohl im Wissen um die Absicht König Maximilians II., ein bayerisches Nationalmuseum zu gründen, die Gelegenheit eines königlichen Besuchs in Bamberg (vielleicht 1857) für einen spektakulären Auftritt vor dem Alten Rathaus bei der Auffahrt vom Bahnhof zur Residenz benutzt: Er ließ einen seiner spätmittelalterlichen Bildteppiche beim Nahen der Königskutsche entrollen und wurde prompt vom König nach seinem Anliegen befragt. Tatsächlich kam es dann 1859 zu spannungsreichen Verhandlungen mit den königlichen Gründungsbeauftragten Jakob Heinrich von Hefner-Alteneck und Karl Maria Freiherr von Aretin. Man überredete Reider, gegen Zusage einer stattlichen Jahresrente von 1 000 Thalern und der Verleihung des Ritterkreuzes I. Klasse des Verdienstordens des hl. Michael, seine umfangreiche Sammlung nach München zu geben. In wenigen Tagen wurde vor Ort ein flüchtiges Inventar angelegt und die gesamten Kunstschätze noch im Herbst 1859 nach München verbracht. Reider mietete in München sofort eine Wohnung in bester Lage, starb dort aber bereits am 5. Februar 1862. Sein Grab auf dem prominenten Südlichen Friedhof ist schon lange aufgelassen. Im Bayerischen Nationalmuseum erinnert bei besonders exzellenten Schaustücken ein Hinweis Aus der Sammlung Reider, doch hat man viele Objekte inzwischen an andere Sammlungen weitergegeben. Einige bemerkenswerte Gemälde aus Bamberg befinden sich heute in der Fränkischen Galerie auf der Veste Rosenberg in Kronach. In Bamberg zurückgelassene Teile, vor allem Handschriften, wurden versteigert oder verkauft, wobei sich der Historische Verein zahlreiche Stücke sichern konnte.