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Kurzbiographien bedeutender Vereinsmitglieder

GEORG ADAM THIEM (1811–-1892)
SEKRETÄR, KONSERVATOR

von SIBYLLE RUSS in BHVB 141 (2005) 265–-269
Georg Adam Thiem zählt zwar nicht zu den Gründern des historischen Vereins, durch seine frühe Mitarbeit und sein Engagement hinterließ er in den 20 Jahren seines Bamberger Wirkens jedoch deutliche Spuren. Als jüngstes Ausschußmitglied brachte er sich engagiert ein, regte vielfach Aktivitäten des Vereins an und bereicherte nicht zuletzt die Sammlungen durch eine große Anzahl von wertvollen Geschenken.
Geboren wurde Georg Adam Thiem am 8. Juni 1811 in Bamberg als Sohn eines Webermeisters in der Theuerstadt 13 (alte Nr. 974). Den Vater verlor Georg mit fünf Jahren, von den vier Geschwistern starben drei Mädchen im Kindesalter. Das Umfeld mit kleinen Handwerkern und Gärtnern, aber auch Künstlern (Josef Mutschelle bewohnte Haus Nr. 977, heute Nr. 7) und pensionierten Kanonikern des ehemaligen Stiftes St. Gangolph, mag den jungen Thiem – ebenso wie die häuslichen Verhältnisse – vielfältig geprägt haben. Nach Gymnasium und Studium der Theologie wurde er am 23. August 1835 zum Priester geweiht.
Noch zu Zeiten seines Studiums, also bereits in den ersten Jahren nach der Gründung des Historischen Vereins 1830, kam er mit diesem in Kontakt. Einer der Schwerpunkte der Vereinstätigkeit dieser Jahre war die Herausgabe des „Renners“ von Hugo von Trimberg, an welcher Thiem seit 1832 mit der Übernahme von Korrekturen erheblichen Anteil gehabt hatte. In der Sitzung vom 1. Januar 1835 wurde er dafür – auf Vorschlag Jaecks – zum Ehrenmitglied ernannt. Thiems Selbstbewußtsein den historischen Autoritäten gegenüber zeigt sich in einem dem Protokoll vom 4. Juli 1838 beigebundenen undatierten Schreiben, in dem er sich beschwerte, daß er trotz seines großen Anteils an der Herausgabe des Renners im zweiten Bericht des Vereins (erschienen 1838) neben Jaeck, Rudhart, von Reider und dem Buchdrucker Reindl nicht genannt worden sei.
Nach 15 Monaten als Kaplan in Döringstadt trat Thiem am 26. Januar 1837 seine zweite Stelle in St. Martin in Bamberg an. Pfarrer war dort Nikolaus Haas, einer der bedeutenden Mitarbeiter des Historischen Vereins und mit Thiem seit Jahren bekannt. Persönliche Fürsprache des Pfarrers bei der Versetzung Thiems ist auszuschließen, denn Haas hatte sich bei der Ablehnung des eigentlich vorgesehenen Kaplans Dr. Michael Stenglein eine oberhirtliche Rüge und den Unmut des Generalvikars Fraas zugezogen. Die vom Pfarrer erstellten Charakteristiken des Kaplans fielen jedoch nur für das erste Jahr positiv aus, was Haas mit zu geringer Kenntnis Thiems rechtfertigte. Die folgenden Beurteilungen gestalteten sich so negativ, daß Fraas eine Begründung von Haas verlangte. Seine Antwort würde einen ungünstigen, wenn nicht gar skurilen Eindruck Thiems vermitteln, wenn sich nicht gleichzeitig Anzeichen für einen Generationskonflikt, vielleicht sogar für einen gewissen Neid auf den jungen Kaplan herauslesen ließe. Haas kritisierte die in mancherlei Hinsicht mangelhafte Bildung und führt dazu an, daß Thiem das auf seine (Haas) Fürsprache hin abgehaltene Examen zum Gymnasial-Professor sehr schlecht bestanden habe, u. a. besitze er nicht einmal die nötigen Kenntnisse in der deutschen Sprache. Dass dies sicherlich nicht den Tatsachen entsprach, zeigen z. B. zwei Sonette, die Thiem noch als Kaplan in Döringstadt verfaßt hatte, die zwar keine Meisterwerke der Dichtkunst, aber dennoch nicht ungefällig sind. Zudem war Thiem seit 1833 Mitarbeiter am Weimarer Nekrolog der Deutschen; auch seine spätere publizistische Tätigkeit läßt Zweifel an der Einschätzung Nikolaus Haas’ aufkommen. Der Bericht Haas’ endete mit der Bitte, Thiem nach den Fastenpredigten zu versetzen und Stadtpfarrer möglichst mit ähnlichen Stadtsöhnen zu verschonen.
Am 1. Dezember 1842 wurde Thiem Kuratus des Bürgerspitals auf dem Michaelsberg, ab dem 20. Okober 1843 zusätzlich in St. Getreu. Er nahm die Seelsorge in beiden Einrichtungen sehr ernst, denn er wußte um die besondere Problematik der Betreuung von Kranken und Sterbenden. Um seinen Mitbrüdern hierbei Hilfestellung zu leisten, gab er neben einem Andachtsbuch auch die Andachtsübungen des P. Marquard von Rotenhan SJ heraus. Die Lebensbeschreibung des im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Bamberger Jesuiten, die er den Andachten beifügte, zeugt vom historischen Interesse Thiems und seinem Bemühen, historische Hintergründe und Zusammenhänge darzustellen.
Die Jahre auf dem Michaelsberg bis zu seinem Weggang als Pfarrer nach Kupferberg im Mai 1851 waren geprägt von seinem Engagement im Historischen Verein, bei der Kleinkinderbewahranstalt und durch vielfältige publizistische Tätigkeit.  Bereits im Dezember 1841 -– nach dem Rücktritt Joseph Pfregners -– hatte Thiem im Historischen Verein das Amt des Konservators übernommen, das er bis zum Mai 1851 inne hatte. Ab dem 6. Dezember 1848 bis zu seinem Weggang nach Kupferberg fungierte er zusätzlich als Sekretär. Schon für den 4. Bericht von 1841 hatte Thiem den Geschäftsbericht erstellt, eine Aufgabe, die er bis zum 14. Bericht 1851 ausführte.
Er regte z. B. 1843 an, Lebensskizzen verstorbener Mitglieder in den Berichten zu veröffentlichen. 1849, im 12. Bericht, begann er diese bis heute fortgesetzte Form der Nachrufe mit jenen für Friedrich Brenner und Andreas Steinruck. Ebenso rückte er die „Denksteine an den Straßen“ und ihre Inschriften ins Blickfeld. Ansätze systematischer Sammlung werden in Thiems Antrag deutlich, neben den bisher gesammelten Portraits der in Diensten des ehemaligen Fürstbistums Bamberg gestandenen Personen, auch Ansichten von Kirchen und öffentlichen Gebäuden, Statuen und Monumenten zu sammeln.
Die Sammlungen des Historischen Vereins haben Thiem eine Reihe von wertvollen Geschenken zu verdanken. Hervorzuheben sind z. B. verschiedene Prozessionale des 17. und 18. Jahrhunderts aus dem Kloster Michaelsberg, mehrere Bamberger Andachtsbücher, Urkunden, Gemälde, Siegel und Münzen. Zudem gab Thiem Manuskripte oder Ausgaben seiner zahlreichen Schriften in die Vereinsbibliothek.
Bedauerlicherweise endete die Mitarbeit Thiems im Historischen Verein mit seinem Weggang nach Kupferberg; sein Austritt aus dem Verein 1854 mag damit zusammenhängen. Allerdings würdigte man seine Verdienste erneut durch eine Ehrenmitgliedschaft, die erst mit Thiems Tod beendet wurde.
Auch seine Versetzung im Juli 1867 nach Buttenheim brachte kein weiteres Engagement für den Historischen Verein. Offensichtlich hatte Thiem inzwischen andere Tätigkeitsfelder gefunden. So berichtete das Bamberger Tagblatt vom 4. Dezember 1871 von der Übergabe des neuen Feuerwehrhauses in Buttenheim durch Thiem, den sich um alles Gemeinnützige so sehr interessierenden Herrn Pfarrer … 1875 wurde er bei der Abgeordnetenwahl zum bayerischen Landtag als Ersatzmann gewählt und rückte 1879 für einen verstorbenen Abgeordneten nach.
Nach langem und schwerem Leiden verstarb Georg Adam Thiem im Alter von 81 Jahren in Buttenheim am 16. Juli 1892 um 6 Uhr abends. Begraben wurde er auf dem Buttenheimer Friedhof, die Gemeinde betrauerte einen seeleneifrigen, herzensguten Hirten.
Ein Leben ging zu Ende, in dem sich der Bogen spannt von den Jahren nach der Säkularisation bis zur Wende zum 20. Jahrhundert. Von rastlosen Eifer und vielfältigem Engagement geprägt, übernahm Thiem arbeitsreiche Aufgaben in Seelsorge, caritativen Einrichtungen und nicht zuletzt im Historischen Verein. Sein jeweiliges Arbeitspensum versuchte er durch systematische Organisation zu strukturieren, gleichzeitig aber brachte er seine Eindrücke, Erfahrungen und sein Wissen zum Nutzen anderer zu Papier – nicht ohne den historischen Bezug darzustellen. Die Bandbreite seiner Publikationen zeigt das vielfältige Interesse dieses Mannes. Es ist kaum verständlich, daß Georg Adam Thiem bis heute kein würdigender Nachruf gewidmet wurde.